Dienstag, 15. Oktober 2013

Im Urlaub sind wir alle Spießer


Im Urlaub sind wir alle Spießer – so ungefähr kann ich einige Argumente einer Diskussion um mein Blog zusammenfassen. Den Spießer gibt es also gar nicht, mal bin ich einer, mal du, mal der Protzbischof Tebartz-van Elst und mal Claudia Roth. Ach nein, die ja nicht, die hat einen Gartenzwerg.

Jedenfalls wäre aus meiner kleinen Beispielgeschichte die Luft herausgelassen. Leander und Mark unterhielten sich angeregt über den vergangenen Urlaub, und mir kam der Verdacht, das könnte doch spießig gewesen sein, wie die da reden. Die Umstände zurechtbiegen, das Andere ausgrenzen, das Fremde verdächtigen. Das, so schien es mir, dürfte ich spießig nennen. Oder sind wir im Urlaub alle Spießer? Dann müsste ich mich bei meinen beiden Figuren wohl entschuldigen.

Die Beobachtung, die dahinter steht, ist sehr treffend: Im Urlaub will man es schön haben. Bestimmten Auseinandersetzungen geht man lieber aus dem Weg. Wer den Großstadtlärm zu Hause nicht mehr erträgt, wird eher in der Uckermark Urlaub machen als in Mexico City. Der Lehrer, von seinen Schülern gerade genervt, verbringt die sechs Wochen Sommerferien nicht in einer Jugendherberge. Seinen Urlaub will man dort verbringen, wo es angenehm ist, das heißt, wo sich viele solcher Menschen tummeln, wie man selbst einer ist. Das könnte so aussehen:

Oliver Lipp: Ballermann 6, auf Wikimedia

Oder so:

Cactus26: Venediger Seilschaft, auf Wikimedia
 
Ist das eine spießig und das andere nicht. Oder beides? Oder beides nicht? Denn offenbar geht es den Urlaubern darum, mit Gleichgesinnten zusammen zu sein. Das wäre normal und nicht spießig, denn zumindest im Urlaub will man doch keine bösen Überraschungen. Nein, man will gar keine Überraschungen. Gerade der Urlaub soll frei bleiben vom Unerwarteten, na der Ausblick vom Hotel darf noch schöner sein, als ich ihn mir vorgestellt habe. Und, Mensch, das gibt’s doch gar nicht, der Pool ist schon fertig, bei Google-Maps waren da noch die Bagger und ein großes Loch – toll! Aber ohne holidaycheck buche ich ungern, man muss doch wenigstens wissen, ob die Matratzen in der Pension mit Federkern sind.

Von hier aus lässt sich nun gut in die Klage einstimmen: Echtes Reisen – das ist vorbei! Das geht nicht mehr! Klagen will ich aber gar nicht, eher feststellen: Früher hatte Urlaub tendenziell etwas von Fremde; heute kaum. Fremd ist es nur für den Schlecht-Informierten.

So einfach ist es natürlich nicht, und es gibt auch Unterschiede. Die Kreuzfahrt, die Alpenüberquerung zu Fuß – das sind Unterschiede. Man würde so im Großen und Ganzen durchaus unterschiedliche Geisteshaltungen dahinter vermuten. 

Aber was ist mit den Mallorca-Urlaubern auf dem Bild? Der kleine Mann, der in Herne eine Sparkasse leitet, will einmal seinen Kopf freibekommen, untertauchen im Gewühl, ja auch im Alkohol und Tanzen, was er schrecklich schlecht beherrscht, und zwar ohne dass ihn jemand erkennt. Das Studentenpärchen verlängert ein Partysemester, tauscht den Hintergrund aus: sonst umgebaute Industriehallen, nun Strand und Meer. Und die zwei Frauen? Die machen Wanderurlaub, sie wollten nur einmal den Ballermann erleben. Kennt doch jeder, einfach mal sehen, wie das da so ist, da am Ballermann.

Vom Urlaub lässt sich offenbar schlecht auf irgendetwas schließen. Die Zeichen trügen. Hier besonders.

Die Differenzen sind feiner. Die Vorurteile, die Verdächtigungen des Fremden: das möchte ich nach wie vor als ein gutes Beispiel ansehen. Der Spießer mag seinen Wohnwagen an den Emmerstausee fahren oder bis nach Albanien, er findet das Fremde, das er weghaben will, überall.

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