Freitag, 7. März 2014

Ordnung schaffen


Nun hat es die Ordnung an sich, dass sie vergeht, und man sie immer wieder schaffen muss. Einmal geschaffen, und irgendwann wächst es doch wieder in Garten und Kühlschrank zum Beispiel. Das Thema werde ich also nicht los, und niemand wird es los.

Mit dem Spießbürger ist es dabei zunächst ganz einfach: Er möchte seine Ordnung dorthin ausdehnen, wo sie überhaupt keine Rolle spielt, wo die Unordnung ihn nichts angeht. Der Spießbürger ist deshalb in Ordnungsfragen meistens Nachbar. Das hatte zum Beispiel auch Sido verstanden.

Moment mal, ich sitze mit Laptop auf der Terrasse, mein Nachbar ruft gerade herüber: „Ach, Wiebe, die Büsche, was haben Sie da gemacht? Die müssten Sie längst zurückschneiden. Wie sieht das aus? Und Ihre Gehwegplatten, haben Sie das gar nicht gesehen? Das war der Winter, aber nicht nur dieser. Aber jetzt geht das wirklich nicht mehr, wenn Sie mich fragen. Sie müssen die anheben, das hab ich auch gemacht, einmal anheben, ganz neu verlegen. Die Platten sind ja noch gut, aber total verrutscht, ganz schief. Sie können auch meinen Hochdruckreiniger mal ausleihen, dann werden die wieder ganz sauber, so wie meine. Schauen Sie? Ganz sauber. Also, wenn Sie meine Meinung hören möchten, es verwahrlost bei Ihnen, da kann man zugucken.“
Ich sage: „Ach Nachbar, wenn Sie mich fragen, dann sind das meine Platten, meine verwahrloste Plattensammlung. Und, entschuldigen Sie, die geht Sie verdammt nochmal nichts an. Sie werden niemals einen Fuß auf meine Gehwegplatten setzen, ganz sicher nicht, und es dürfte Ihnen also egal sein, ob man da stolpern kann, ob es schief, gerade, Waschbeton oder Marmor ist. Und wenn Sie mir ihren Hochdruckreiniger ausleihen, stecke ich Ihnen den, ja, genau, dorthin, und blase den ganzen Darmtrakt sauber.“

Etwas überreagiert vielleicht, aber das ist erfunden, natürlich. Den Nachbar gibt es nicht. Und mich gibt es auch nicht. Jedenfalls so nicht.

Aber im Beispiel ist es ganz einfach. Der Nachbar wird da spießig, weil er nur seine Ordnung kennt. Und nur diese seine Ordnung ihn interessiert. Soweit so gut. Kompliziert wird es dort, wo Menschen sich nicht so leicht aus dem Weg gehen können, Zaun und Hecke nicht helfen. Da tobt gerade ein Diskussiönchen durch Berlin. Hundekot auf den Straßen, zu viel Lärm, und falsch oder sogar schief parkende Autos; schlimmer sind die Glasscherben von Bierflaschen, sogar auf Kinderspielplätzen, Spritzbesteck von Junkies, immer auf Kinderspielplätzen, Handgranaten aus dem Zweiten Weltkrieg im Rinnstein etc. etc. Man kennt das aus den verruchten Städten.

Die taz hat nun ein Pro und Contra dazu online gestellt. Da wird der Spießer wieder zum Kampfbegriff. Wer Ordnung will, ist spießig. Was die Freunde der sauberen Stadt höflich zurückweisen. Nun, im Grunde ist gegen ein bisschen Ordnung auf der Straße nicht viel zu sagen. Selbst hier in der Provinz (was weiß ich von großstädtischen Stadtmüllbergen, vor denen enddreißiger Mamis mit ihren Kinderwagen verzweifeln, weil sie nicht hinüberkommen?), selbst hier in der Provinz nervt mich der Hundekot auf dem Bürgersteig. Oder Parks, in die am Sonntag Morgen offenbar fälschlich die Altglascontainer hinein entleert wurden.

Aber dafür die Polizei einsetzen? Oder sogar Gesetze verschärfen: Kein Alkohol auf öffentlichen Plätzen?

Und ein anderes Argument von Sebastian Heiser in der taz ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen, und es gilt, glaube ich, gerade für Berlin: Wer um Himmels Willen hat die armen Spießer denn in diese miesen Gegenden verladen? Wo die so leiden müssen? Und, nun ja, gerade in Berlin gilt, soweit ich weiß, nicht das: ich hatte keine Wahl! Wer nach Berlin zog, tat das doch meistens, weil es Berlin war. Gab es andere Gründe? Die viele Arbeit, die noch mehr als Hundekot, auf der Straße liegt? Die Liebe vielleicht, die erhoffte. Aber vor allem: Berlin. Und so geht dann Gentrifizierung. „Leipzig ist das bessere Berlin“ sagt Google, und Google sollte man nicht widersprechen.

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