Donnerstag, 7. August 2014

Der muslimische Schützenkönig


Wie beruhigend. Mithat Gedik darf Schützenkönig von Werl-Sönnern bleiben. Und das als Muslim. Das lässt sich ja gleich doppelt feiern: Als Ideal-Integration des muslimischen Schützen-Bruders und vorbildliche Weltoffenheit der deutschen Schützenvereine. Für einen kurzen Moment war diese Feierlaune getrübt: Der ist gar nicht katholisch, sondern was anderes, und die Weltoffenheit der Schützenvereine musste erst im Nachgang großzügig etwas von oben herab bestätigt werden. Wir machen da eine Ausnahme. Na wunderbar. Deutschland ist Weltmeister und ein Muslim Schützenkönig in Werl – weiter aufwärts kanns für uns nicht gehen.

Ich muss gestehen: Die Kultur der Schützenvereine ist mir fremd. Diese Form der Spießigkeit liegt mir fern. Schießen, Saufen, Schulterklopfen. Oder wie es offiziell heißt: Glaube, Sitte, Heimat. Auch kein schlechter Dreiklang. Deniz Yücel ergänzt den Dreiklang ums Rumballern und betont – und da bin ich im Thema –, es werden immer neue Ansprüche formuliert. Die Integration ist dabei nicht mein Thema, sondern die Spießigkeit: Yücel sagt, da sollen die Einwanderer in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mitspielen, und dann wird gefragt, warum sie die Hymne nicht mitsingen. Immer werden neue Ansprüche formuliert. Mithat Gedik kann seine Kinder katholisch taufen lassen, an der Schule katholische Religion belegen – und darf trotzdem nicht am großen „Bezirkskönigsschießen“ teilnehmen. So nach der Logik: Du bist vorbildlich integriert, aber dass Du nur integriert ist, wollen wir dabei nicht vergessen. Die Integration soll sichtbar bleiben. Integriert bleibt Integriert.

Das ist eine Logik der Spießigkeit. Klare Grenzen, wer oder was zu mir gehört und was eben nicht. Das Fremde ist mir fremd. Nun muss ja nicht jeder überall dazugehören. Im Fußballverein wird Fußball gespielt, und Handballer gehören nun mal nicht dazu. Der eine schießt lieber im Schützenverein, der andere beim Ego-Shooter, und bei Counterstrike kann man nicht zum Schützenkönig werden. – Es bleibt trotzdem ein Unbehagen.

Oder rührt das Unbehagen ganz woanders her? Warum, um alles in der Welt, wird ausgerechnet am Schützenkönig die Integration diskutiert? Was sagt das aus? Ach so, natürlich: Wenn sogar dort, bei dieser Provinzialität, im Herz des Konservatismus, im Bett der CDU, an der Brust des Spießbürgers ein Muslim nahezu vollständig einigermaßen akzeptiert wird, dann ist das wirklich die allerechteste Integration. Echter geht eben nicht. Ja, da wird’s mir unbehaglich. Das hieße dann, hier sei das Innere, das „echte Deutschsein“, die Integrationsabsolution, die nur im Schützenverein erteilt werden kann. Gruselig. Es geht beim Fall Gedik gar nicht um diese Art der Integration, als vielmehr um die Integration ins Dörfliche, ins Provinzielle – und auch ins Spießbürgerliche. Und ja, die ist, nach dem was man so sagen kann, wohl gelungen. Wenn das gleichbedeutend sein soll mit „der“ gelungenen Integration, was immer das sein soll, dann wird es mir unbehaglich. Aber hier verlässt der Spießbürgerlichkeitsversteher das Feld für den Integrationsbeauftragten.

Er zieht sich gedanklich noch einmal zurück in seinen Strandkorb, womit er sich in die Schar der deutschen See-Urlauber gut integrierte. Aber darf jemand mit so blasser Haut überhaupt einen Strandkorb mieten? Ja, das ist gerade ein Beispiel für gelungene Integration an der deutschen See. Zwar ist er weiß wie das Innere eines Schokokusses, dennoch darf er sich am Strand unter die seegebräunten Menschen mischen. Und auch er legte Vorbehalte ab: Der Strandkorb könnte spießig sein. Nein, praktisch ist er.

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