Dienstag, 23. September 2014

Sich einmal alt fühlen: Der Bundesvision Song Contest


Ich schreibe ja seit längerem auch bei der Blogumschau. Dort hat mein Freund und Kollege, Jochen Walter, kürzlich einen Artikel über das schottische Referendum veröffentlicht. (Ja, ja, das ist die Aufforderung, mal wieder auf die Blogumschau zu klicken.) Alle möglichen Völker und Völkchen, so konnte ich da lesen, haben derzeit Abspaltungsgedanken. 

Katalonien, klar. Im katalonischen Hinterland passierte es mir im Urlaub, dass die Betreiber einer Pension sich nur sehr widerwillig überhaupt darauf einließen, spanisch mit mir zu reden. Das ist Fremdsprache dort. Sie ließen sich dann endlich darauf ein. Spanisch verstehe ich zwar genauso wenig wie katalonisch, aber ich hatte immerhin das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Und die Flandern, klar, die auch. Wer will schon zu Belgien gehören. Und die Bayern trennen sich von Deutschland, während sich Franken von Bayern abspaltet, allerdings Oberfranken einen eigenen Staat gründet, der dann Wagneriana genannt wird und von Bayreuth aus regiert wird. Nur mein Hirngespinst? In Mittelfranken gibt es sogar ein Städtchen, das Wolframs-Eschenbach heißt. It’s the Franken, stupid!

Regionalismus ist angesagt. Natürlich, wir haben, aufmerksam und verantwortungsbewusst wie wir sind, oft genug gelesen: Die Rettung der Welt wird, wenn überhaupt, nur durch den Einkauf regionaler Produkte möglich sein. Biorindfleisch aus Ungarn? Nein danke, Rindviecher nur aus der Nachbarschaft. Denn Regio sticht Bio.

Voll auf diesem Regionalzug sitzt Stefan Raab mit seinem Bundesvision Song Contest, den ich am Samstag ein wenig – nicht von Anfang an und nicht bis zum Ende – verfolgt habe. Da treten Interpreten aus den Bundesländern gegeneinander an, ganz nach dem Vorbild des großen Eurovision Song Contest. Nur auf Länderebene. Denn wir wissen, die Rettung der guten Musik wird nur durch das Hören regionaler Musik möglich sein.

Besonders fiel mir auf, wie sehr die Rose wieder als zentrales Symbol für die Liebe popfähig ist. Immerhin 20.000 Rosen bei Sierra Kid. Weil 20.000 Rosen sind 20.000 Rosen sind 20.000 Rosen. Das nennt man Evidenz. Teesy sang von „Keine Rosen“, denn das Liebeslied kommt heutzutage ohne die immerhin pfiffig verneinte Rose keinesfalls aus.

Wie alt man sich da plötzlich fühlt, wenn man sagen möchte: Was singt ihr von Rosen? Habt ihr echt gar nichts, das irgendwie, äh, cooler wäre? Einem jüngeren Menschen, dieser Sierra Kid ist gerade 17 Jahre alt, empfehlen, er könnte vielleicht etwas cooler oder rebellischer sein, bitteschön. Das ist alt, sehr alt. Ich verwerfe diesen Gedanken augenblicklich. Rosen also, na gut, meinetwegen. Die Grenze zwischen Pop und Kitsch ist nicht gut überwacht. Da gilt ein Schengener Abkommen.

Es bleiben für mich Verdachtsmomente: Ich muss meinen Begriff der Spießigkeit überdenken. Sierra Kid und Teesy spießiger als Maxim, der die 30 immerhin schon überschritten hat? Und sehr viel spießiger als die Inglebirds mit ihrem Rap, der nach den frühen Neunzigern klingt? Kann das sein?

Gewonnen hat übrigens die Band Revolverheld, die zwar keine Rose in petto hatte, aber im Lied die Stadt verlässt, Berlin, Hamburg oder Köln, weil es da so voll und echt ziemlich regnerisch ist, und ganz in der Provinz ankommt. Denn Regio sticht Rose.

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