Niklas
Luhmann meinte, der Zweck der Kommunikation ist ihre Fortsetzung. Wer
das nicht glaubt und noch immer irrwitzigerweise beispielsweise den
Zweck eines Arguments darin sieht, dass es überzeugt, der sehe sich
im Netz um. Das Internet wurde einzig mit dem Ziel gebaut, Luhmanns
Theorie der Kommunikation zu beweisen. Und es beweist.
Ich
bin vielleicht gerade etwas Blogumschau-müde, das Problem fiel uns
allerdings immer wieder auf und mal konnten wir etwas dagegen tun,
mal gelang das nicht: Ich schrieb zum Beispiel über die
Berichterstattung über die Fußballweltmeisterschaft 2014. Also
genauer, das eigentliche Ereignis: Da spielten echte Männer,
kleinere Jungens und ein paar Werbefiguren Fußball und ein paar
Brasilianerinnen tanzten im Hintergrund Samba, was sie offenbar immer
tun. Darüber berichteten Journalisten und Reporter, die vor Ort
Fußball und Samba beobachteten. Über die Berichterstattung
berichteten Blogger, die sich über zu viel Samba und zu wenig
Fußball ärgerten. Über diese Blogger berichtete die Blogumschau,
die von Fußballer- und Tänzerinnenschweiß drei Meta und sehr viele
Kilometer entfernt war.
Die
Position eines Beobachters der Beobachter, die kann ja auch originell
sein. Sie ist aber mittlerweile die typischste
Internetsprecherposition. Der allergewöhnlichste Fall, am Beispiel
des literarischen Quartetts: Autoren schreiben Bücher über die im
Fernsehen diskutiert wird. Die Fernsehdiskussion wird in den
Zeitungen breit besprochen. In den Blogs wird wahlweise die
Fernsehsendung oder die Fernsehsendungsberichterstattung besprochen.
Und die Blogartikel werden wiederum kommentiert. Und der Klassiker
der Kommentare lautet dann ungefähr so: „Ranicki ist sowieso
unerreichbar, von Literatur haben die in den klassischen Medien gar
keine Ahnung mehr. Das ist alles nur noch Marketing. Ich habe die
Sendung deshalb gar nicht erst gesehen!“
Es
fällt nicht einmal mehr auf, dass die Kommentare keinen Bezug zum
eigentlichen Ereignis haben, also zur Fernsehsendung (die Bücher hat
selbstverständlich ohnehin niemand gelesen, der sich über die
Sendung auslässt). Im Laufe der Kommentare der Kommentare der
Kommentare hat sich der Gegenstand längst aufgelöst, es bleibt ein
bisschen Meinung zurück, die die Kommunikationsdampfmaschine am
Laufen hält.
Oder
Amazon: Ein Buch, eine Rezension zum Buch, ein Kommentar zur
Rezension zum Buch, eine Bewertung des Kommentars zur Rezension zum
Buch. Neben Luhmann wusste Kafka natürlich auch, was da mit dem
Internet auf uns zukommt. Im „Proceß“ führt er vor, wie eine
Geschichte sich auflöst in ihre Kommentare. Medienkritik, so scheint
es mir manchmal seitdem die Kritik an der Ukraine-Berichterstattung
abgeflaut ist, Medienkritik ist das langweiligste, was man überhaupt
betreiben kann. Ja, auch dieser Text fällt dann selbstverständlich
darunter: redundant, langweilig, überflüssig. Wenn überall zu
Kommentar und Spritzgebäck geladen wird, ist die Metahaltung keine
Kunst mehr. Schweigen müsste man können.
Zu Luhmann vor allem: Niklas Luhmann: Was ist Kommunikation?, in: Soziologische Aufklärung Bd. 6: Die Soziologie und der Mensch, 3. Aufl., Wiesbaden 2008.
Und Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a.M. 1984.