Montag, 7. März 2016

Zum Tod von Karl Dedecius

Fast hätte diese Nachricht mich gar nicht erreicht, obwohl mich viele, allzu viele Nachrichten erreichen. Aber an Karl Dedecius, den großen Übersetzer und Vermittler polnischer Literatur, hatte ich gar nicht gedacht, als er am 26. Februar verstarb, und ich an diesem Tag ein Buch von Zbigniew Herbert wieder einmal zur Hand nahm, das Dedecius herausgegeben hat. Ich dachte an Herbert, den Autor, sein Übersetzer kam mir in diesem Moment nicht in den Sinn.

Ich zitiere aus Dedecius' Übertragungen der Gedichte von Zbigniew Herbert:

"Botanischer Garten

Das ist ein pflanzenpensionat, geführt sehr streng wie eine klosterschule. Gräser, bäume und blumen wachsen mit anstand, ohne vegetative üppigkeit, und hüten sich vor dem verbotenen liebesspiel mit den hummeln. Sie sind stets befangen ob ihrer lateinischen würde und weil sie beispiel sein müssen. Sogar die rosen verschnüren ihren mund. Sie träumen vom herbarium.
Greise kommen hierher mit büchern und nicken ein beim schläfrigen ticken der sonnenuhren."

Aus: Zbigniew Herbert: Inschrift. Gedichte aus zehn Jahren, hg. und übertr. von Karl Dedecius, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1967.

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